Nach einer langen Sommerpause traf sich eine stattliche Anzahl der Hamelner Landfrauen im schön geschmückten Saal des Hotels Zur Krone um sich über die Milchproduktion im Wandel der Zeiten zu informieren.

Der Referent Stefan Leineweber aus Coppenbrügge hat sich schon als kleiner Steppke für Kühe interessiert. Bereits als 14-jähriger kannte er seinen Berufswunsch und verfolgte ihn vehement. Ein Jahr Berufsschule; zwei Jahre Praxis im Betrieb (hier spezialisiert man sich), anschließend Praxis-Erfahrung im Ausland in Kanada und den USA. Heute arbeitet der Agrar Betriebswirt bei der größten europäischen Zuchtorganisation Masterrind in Verden.

Hier stehen 180 Bullen in 40 m² großen Boxen in hellen, klimatisierten Hallen in die  nur Befugte Zugang haben. Hier lebt Kapital, heutzutage werden die Kühe aus u.a. Seuchenhygienischen  Gründen zu 92% künstlich befruchtet. Die Bullen springen zweimal wöchentlich auf ein lebensecht wirkendes „Phantom“. Pro Ejakulat werden je nach Alter bis zu 1.200 Portionen Sperma gewonnen. Im Jahr ergeben sich fünf Millionen Portionen, davon verbleiben 1,4 Millionen in Deutschland (Niedersachsen und Sachsen); der Rest geht ins weitere Bundesländer und Ausland.
Wertvolle Kühe werden u.a. über Embryotransfer vermehrt. Wobei diesen Kühen nach einer örtlichen Betäubung Eizellen aus dem Eierstock entnommen werden.
Die Zuchtexperten entscheiden wer mit welchem Vererber – je nachdem, ob Milchkühe für Leistung- Inhaltstoffe, einfach nur schönes Aussehen oder Rinder zur Fleischgewinnung benötigt werden. Gängige Methode in der heutigen Zeit ist das Auslesen der DNA sämtlicher Rinder. Hier eröffnen sich neue Möglichkeiten so können Eiweißstrukturen der späteren Milchkühe festgestellt werden. Die wiederum eine andere Eiweiß-Molekularstruktur Beta-Kaseine A2A2 in ihrer Milch haben. Diese ist verträglich bei Eiweiß und Lactose Intoleranz und wird aktuell für den Asiatischen Markt produziert. Andere Eiweiß Bausteine wie Kappa-Kaseine in der Milch dienen für die Käseausbeute pro Liter das ich die BB Variante, diese hat einen optimalen Gerinnungsfaktor. Die DNA –Lesung macht die Kuh Gläsern!
Ebenso gibt es diverse Züchtungen für die Ansprüche  je nach landwirtschaftlichen Futtergrundlagen in den verschiedenen Regionen wo die Kuh leben soll; karges Futter (Galloway), fast nur Gras oder fette Wiesen (Charolais oder Limousin), dies geht auch bei Holstein Kühen!
Dies alles mutet sehr spooky an – hat aber mit Gentechnik oder Genschere nichts gemein. Beides ist in Deutschland verboten, ebenso die Gabe von Wachstumshormonen – in anderen Ländern wie USA, Argentinien etc jedoch nicht.

Früher wurden Kühe zu schnell wieder trächtig gemacht – jedes Jahr ein Kalb war normal. Heute sind die  Milchkühe in der  Genetischen Lage weitaus länger Milch zu produzieren ohne erneute Kalbung  über 600 Tage ist nichts ungewöhnliches.
Durch die künstliche Befruchtung werden auch keine Bakterien oder andere Keime von Kuh zu Kuh weitergegeben – die Seuchengefahr ist gebannt.

Jedes Rind erhält bei seiner Geburt eine Ohrmarke, ein Chip, der das gesamte Leben bis hin zur Fleischtheke dokumentiert. Wird es verkauft, wird in einem Pass festgehalten, wohin es kommt, auch der jeweilige Schlachthof wird bekannt gemacht.

Massentierhaltung bedeutet nicht, dass es den Kühen schlechter geht als früher – im Gegenteil. Früher standen die Kühe acht Monate im Jahr angekettet im Stall, im eigenen Dunst von Fliegen gepiesackt. Die heutigen Ställe bieten sehr viel Komfort, die Kühe können sich frei bewegen, liegen im Stroh zum Widerkäuen und gehen zum selbstständig Melken. Heute stehen einem Rind zwölf m² Platz zur Verfügung. Früher waren es nur zwei bis drei m². Die neuesten Ställe haben Wasserbetten, es gibt keine Seitenwände mehr, sondern Jalousien, die für Luftzug sorgen. Seit zehn Jahren heißt es Qualität vor Quantität. Frei nach dem Motto geht’s der Kuh gut – gibt’s Milch!

Seit zwei, drei Jahren werden die Kühe in so mancher Region nicht mehr rausgelassen, weil der Wolf zum Problem für sie geworden ist. Kälberställe werden mit Strom gesichert, weil Wölfe dort sonst eindringen und Schaden anrichten.

In Deutschland leben 12,7 Mio Rinder in 151.000 Betrieben; 43 Mio. Kühe (hauptsächlich Schwarzgefleckte, Buntgefleckte oder Jerseys) stehen zur Milchgewinnung bereit – im Ø 54 Milchkühe pro Betrieb. Es werden 32,4 Mio. Tonnen Milch erzeugt; 1,6 Mio. Tonnen werden importiert; 33 Mio. Tonnen werden in Molkereien verarbeitet.

Am 17.09. fahren die Hamelner Landfrauen in den Betrieb Hemme Milch in die Wedemark, um sich ein Bild über die heutige Milchviehhaltung zu machen. Die heutigen neuen Ställe werden im nächsten Bericht im Detail beschrieben.